Über sechs Millionen Menschen arbeiten in Deutschland in Schichtarbeit. Wie wirkt sich das auf Körper und Schlaf aus?

Schichtarbeiter leben und arbeiten oft zu Zeiten, in denen der Körper eigentlich auf Ruhe und Entspannung ausgelegt ist. Sie leben damit entgegen der inneren Uhr und viele Prozesse im Körper geraten durcheinander und aus dem Rhythmus.

Unser Organismus ist von festen Rhythmen und Bedingungen abhängig. Darauf ist er seit Urzeiten programmiert. Wenn wir dies nicht beachten, gerät unser ganzes System aus dem Takt. Dieses sensible System der inneren Uhr sorgt z.B. dafür, dass bestimmte Funktionen im Körper immer in gleichen Abläufen stattfinden. Dazu gehört etwa der Blutdruck, bestimmte Hormone oder auch die Körpertemperatur. Diese ist in der Nacht z.B. niedrig, weil der Körper auf Erholung und nicht auf Aktivität vorbereitet ist.

Die Folgen für Schichtarbeiter, insbesondere bei wechselnden Schichten:

  • Verdauungsprobleme
  • Schlafprobleme
  • Depressionen
  • Eine um bis zu 8 Jahre verkürzte Lebenserwartung
  • Größeres Risiko für viele Herz-, Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen

 

Schützt der Gesetzgeber Schichtarbeiter?

Leider nur bedingt. Auch Schichtarbeiter arbeiten in der Regel 8 Stunden am Tag. In Ausnahmefällen und gerade sozialen Berufen sind aber auch 10-Stunden-Tage und 12- bis 24-Stunden-Schichten üblich und rechtlich möglich.

Bei Nachtarbeit gibt es mehr gesetzliche Regelungen. Hier gibt es vor allem Lohnzuschläge – ein Anreiz, der für viele junge Menschen attraktiv und mitunter Hauptgrund für Nachtschichten ist. Die Einhaltung vieler gesetzlicher Regelungen sind in der Praxis jedoch nur bedingt nachprüfbar.

Für die Gesundheit der Schichtarbeiter gibt es insgesamt zu wenige gesetzliche Vorkehrungen oder Hilfe. Jeder Arbeitnehmer muss sich selbst darum kümmern. Viele Schichtarbeiter werden sich um der gesundheitlichen Folgen nur bedingt bewusst sein oder schieben sie gedanklich bei Seite. Dabei kann jeder viel tun, ohne gleich auf den Gesetzgeber angewiesen zu ein.

 

Kann ich als Arbeitnehmer nicht auch etwas mitbestimmen?

Hat das Unternehmen einen Betriebsrat, ist der Gestaltungsspielraum und das Mitspracherecht der Mitarbeiter höher als bei Unternehmen ohne Betriebsrat. Der individuelle Schlaftyp etwa kann nur in den wenigsten Fällen berücksichtigt werden. Oft sind sich Unternehmen der Thematik gar nicht bewusst und jeder Mitarbeiter muss alle Schichten ausüben. Dabei gab es in der jüngsten Zeit einige Studien mit Unternehmen, bei denen das Schichtsystem die individuellen Schlaftypen der Mitarbeiter berücksichtigte. Das Ergebnis: Weniger Gesundheitsprobleme.

 

Ist jede Schichtarbeit gleich schlimm?

Ist jede Schichtarbeit gleich schlimm? Grundsätzlich wirkt sich Schichtarbeit natürlich bei jedem Menschen anders aus. Dennoch gibt es zwei Grundsätze, die die Auswirkungen der Schichtarbeit für den Körper stark beeinflussen.

  1. Ihr Schlaftyp, auch Chronotyp genannt

Sind Sie eher eine Eule oder eine Lerche? Eulen sind eher Spättypen, die später ins Bett gehen und morgens entsprechend aufstehen. Sie kommen daher mit dauerhaften Spätschichten am besten zurecht. Lerchen dagegen sind von Natur aus Frühaufsteher, die von selbst gerne zeitig ins Bett gehen. Sie stecken daher auch Frühschichten am besten weg. Arbeiten Sie in einem Mehr- bzw. Wechselschichtmodell, hat Ihr Schlaftyp nur einen geringen Einfluss auf die Auswirkungen der Schichtarbeit für Ihren Schlaf.

  1. Die Schicht als solches

Spätschicht

Die Spätschicht gilt als die Schicht, die der Körper am besten wegstecken kann. Wir gehen etwas später ins Bett und stehen etwas später auf. Diese Art der Schicht ist auch auf Dauer in den wenigsten Fällen ein Problem für den Schlaf. Wichtig ist hier: Auch nach der Spätschicht sollten Sie Feierabend machen und nicht sofort ins Bett gehen. Abschalten können ist wichtig für den Körper.

Frühschicht

Die Frühschicht ist schon etwas schlimmer. Man muss drei bis vier Stunden früher aufstehen als üblich, kann sich abends oft aber nur ein bis zwei Stunden früher aufraffen, ins Bett zu gehen. Besonders im Sommer, wenn es abends noch lange hell ist, fällt es vielen Menschen schwer, schon um 20.00 Uhr ins Bett zu gehen. Die Folge: Frühschichtler schlafen meist zu wenig!

Nachtschicht

Dauerhafte Nachtschicht ist von den drei möglichen Schichtarten die mit den größten gesundheitlichen Auswirkungen. Hierbei leben Sie permanent entgegen der inneren Uhr, die nachts eigentlich schlafen möchte. Schlafforscher sind sich einig: Tagschlaf kann Nachtschlaf nicht ersetzen!

Wechselschicht

Am schlimmsten sind ständig wechselnde Schichten, bei denen auch Schlafforscher nur wenige Tipps haben. Das liegt daran, dass diese Art der Arbeit so konträr gegen unsere innere Uhr ist. Mit Verhaltenstipps kann man da leider wenig ausrichten. Wechselschichtler haben auch erheblich größere gesundheitliche Problem als die Menschen, die dauerhaft in Nacht-, Spät- oder Frühschicht arbeiten. Es ist das Wechseln, was den Körper immer wieder aus dem Rhythmus bringt und krank macht. Als am „gesündesten“ gilt ein Wechsel im Uhrzeigersinn von Früh- auf Spät- auf Nachtschicht mit einer darauffolgenden Woche Pause.

 

Kann sich der Körper an Schichtarbeit gewöhnen?

Jein. Auch dazu gibt es hervorragende Studien, die im Ergebnis folgendes sagen: Wir stellen uns psychisch und mental mit der Zeit um und „leben“ damit. Der Körper passt sich dem ebenso an, so sinkt die Körpertemperatur während Nachtschichten nicht mehr so stark, weil der Körper bemerkt, dass eben keine Schlafenszeit ist, sondern Sie aktiv sind. Aber ganz umstellen, das gelingt dem Körper nicht! Auch nach Ende einer Schichtarbeit kann es mitunter Jahre dauern, bis man sich davon wieder erholt hat und auch geistig wieder auf demselben Niveau ist wie gleichaltrige Personen ohne Schichtarbeit.

 

Welche Maßnahmen helfen?

Die gesundheitlichen Probleme durch Schichtarbeit sind groß. Die Lösung kann jedoch nicht lauten, dass wir alle auf Schichtarbeit verzichten. Unser Gesellschaftssystem ist auf Schichtarbeit angewiesen, insbesondere in sozialen Berufen wie der Pflege, Polizei oder der Feuerwehr.

Idealerweise gibt es von der Arbeitgeberseite Informationen, wie Arbeitnehmer trotz Schichtarbeit gut schlafen. Bedauerlicherweise ist dies nicht oft der Fall. Allgemeine Tipps sind:

  • Eine gute Schlafhygiene
  • Maßvoller Umgang mit Koffein
  • Eine gesunde, abwechslungsreiche Ernährung
    • Schichtarbeiter tendieren leider dazu, bei wenig Schlaf zu mehr ungesunden, zucker- und fettreichen Lebensmitteln zu greifen. Klar, Schichtarbeit bedeutet Stress und dann wird zu Nervennahrung gegriffen – und das sind nicht immer gesunde Nüsse. Hinzu kommt, dass wir Menschen bei Schlafmangel impulsivere Entscheidungen treffen und so eher zu ungesunden Snacks greifen und unsere eigenen Ernährungsprinzipien ignorieren.
  • Wenig Stress noch außerhalb der Schichtarbeit
    • Versuchen Sie möglichst wenig weitere Stressquellen außerhalb der Schichtarbeit in Ihr Leben zu integrieren. Schichtarbeit als alleinerziehende/r Mutter oder Vater ist nicht die allerbeste Idee. Gleiches gilt bei einem oder gar zwei Nebenjobs oder wenn Sie noch pflegebedürftige Eltern haben.
  • Verständnis und Rücksichtnahme im sozialen Umfeld
  • Power Naps, um Schlafdefizite zu kompensieren
  • Optimale Schlafumgebung, insbesondere bei Tagschlaf
  • Auf Ihren Körper hören und eigene Regeln und Verhaltensweisen finden
    • Schichtarbeit und deren Auswirkungen sind individuell. Beim Schlaf ist (nahezu) alles erlaubt, was Ihnen hilft!

Wichtig ist immer eine Anpassung auf die individuelle Situation und das Schichtsystem. Was für Frühschichten gut ist, kann bei Nachtschicht wiederum das Falsche sein.

Sie sind Schichtarbeiter und möchten Ihren Schlaf nachhaltig verbessern? Kontaktieren Sie mich gerne.

Ihr Markus Kamps
Schlafcoach